Otto Künzli "USA-Serie"
1992 zeigte Otto Künzli eine Ausstellung in Middletown Connecticut. Teil dieser Ausstellung war das Stück „UFO“, was hier so viel bedeutet wie „Unidentified Found Object“. Das konzeptuelle Schmuckstück besteht aus einer rostigen Eisenplatte in der Größe einer Bildpostkarte. Was hier so artifiziell und symbolisch zerbrochen wurde, wäre 28 Jahre später beinahe wirklich zersplittert. Den Eindruck hatten viele.
Zu den Dezember-Terminen des US-amerikanischen Wahlspektakels zeigen wir 6 Arbeiten aus Otto Künzlis „amerikanischer Serie“.
Ein Teil der Stärke der USA liegt in der popkulturellen Fähigkeit neue Symbole hervorzubringen, die sowohl für ihre regionale Herkunft als auch für allgemeingültige Ansichten stehen: die Flagge für Freiheit, Mickey Mouse für putzig, gewiefte Redlichkeit, das Dollarzeichen für Kapitalismus.
Zugleich baut dieser populäre Diskurs auf Symbole, die von Menschen aus anderen Weltgegenden mitgebracht wurden. Andere Zeichen stammen aus dem Repertoire von Gruppen, die schon lange zuvor auf dem Gebiet der USA lebten. Doch ebenso wichtig sind die Symbole der großen Feindbilder, mit deren Präsenz die patriotische Eigendefinition beschworen wird. Otto Künzli hat 13 dieser Symbole auf einem dünnen Stahlseil aufgereiht. Das entstandene „The Big American Neckpiece“ ist heute Teil der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne in München.
In Otto Künzlis Arbeiten aus den frühen 1990er Jahren sieht man, wie die Zeichen sich überlagern, sich aneinander reiben, wie sie verschmelzen oder zerfallen. Eine aus dieser Zeit stammende Brosche vereint die Umrisse eines christlichen Kreuzes, einer Kapuze des Ku-Klux-Klans, eines fünfzackigen Sterns und des Kopfes von Mickey Mouse. Unter Totenkopfaugen sitzt eine Nase in der Form eines kleinen, umgedrehten Herzes. Der Titel „Oh, say!“ gibt die ersten Worte der US-amerikanischen Nationalhymne wieder.
Nach dem Ende des kalten Krieges waren die USA Siegesmacht in einem Großkonflikt. Kritik an diesem
Land wirkte damals eher wie eine individuelle Reaktion gegenüber der aufdringlichen Allgegenwart einer die
Gedanken vernebelnden Symbolik. Denn ihr Glanz war so eindringlich, dass selbst die offensichtlichen Mängel
noch erstrebenswert und glamourös schienen. Momentan jedoch überwiegt der Eindruck des Rostigen und Bröseligen und der Blues.
Eine Piratenflagge setzt auf harte Kontraste und klare Symbolik. Eher unklar ist dagegen, wie man die Piraten betrachtet. Als Vertreter eines charmanten Rebellentums mit sozialutopischen Zügen, welches auch in den USA seit der Unabhängigkeit propagiert wird. Oder als Vertreter einer gewaltbereiten, bedrohlichen Melange, die moralische Grenzen ignoriert. Ob das eine oder das andere überwiegt, entscheidet sich stets neu. 1992 sagte Otto Künzli nach der Arbeit an seiner Schmuckserie über die USA: „Trotz aller Widersprüche und Reibungen funktioniert Amerika irgendwie.“ Heute hoffen wir, dass sie keine neue Fahne brauchen.